JBL Flip 5 Bluetooth-Lautsprecher Test 2024: Klang in Vollfettstufe, Ausstattung nur Magerquark
Ich weiß nicht, ob ich weinen oder lachen soll: Der JBL Flip 5 Test lässt mich so ratlos zurück wie schon lange kein Proband mehr aus unseren Bluetooth-Lautsprecher-Studien.
Inhaltsverzeichnis
Auf der einen Seite hat sich JBL wohl mein ständiges Genöle über das markentypische Soundloch zu Herzen genommen. Denn sie haben die neue Flip-Generation auch in der Klangmitte zum Partymonster aufgepimpt. Auf der anderen Seite wurde alles wegrationalisiert, was ich an mobilen Lautsprechern schätze:
- Adieu, Klinkenbuchse für das AUX-Kabel!
- So long, du dämliche Freisprech-Funktion!
- F… dich very much, du etablierter Standard für die Lautsprecherkopplung!
Der JBL Flip 5 macht nur noch Wumms über Funk – das aber mit Anlauf und Karacho. Und ich würde mir selbst ’n Vogel zeigen, wenn ich diesen entscheidenden Fakt der Funktionalität unterordnen würde. Oder doch nicht? Oder ja? Ach, ich weiß doch auch nicht!
VORTEILE
- Hochwertige Verarbeitung
- Hohe Outdoor-Funktionalität
- Lange Akkuleistung
- Monsterklang
NACHTEILE
- Keine Klinkenbuchse
- Neuer Koppelstandard für Mehrfach-Lautsprecher
- Kein Mikro
Funktionen und Bedienung: Weg mit den Traditionen
Bevor ihr überhaupt herausfindet, was der JBL Flip 5 abliefert oder nicht, müsst ihr ihn erst einmal aus seiner Verpackung friemeln. Und diese Verpackung ist für mich ein kleiner Widerspruch in sich.
Die Styroporbox besteht zwar aus recyceltem Kunststoff und das Unternehmen macht mit aller Macht einen auf öko. Außerdem soll euch das Case als dauerhafte Transportbox dienen. Das macht schon mal grüne Punkte.
Das mag eine ganze Weile funktionieren. Doch der Kugelkunststoff hat am Ende nur die gleiche Qualität wie eine Thermobox für die Suppe vom Lieferservice – vielleicht noch etwas stabiler.
Und auch wenn er abbaubar sein soll: Kauft euch, wenn es sein muss, lieber ein wirklich stabiles Case, während die Marke mal über ökologisch überzeugendere Pappverpackungen nachdenken sollte. Andere kriegen das auch hin, und es wäre wirklich eco-friendly.
Sobald ihr diese Verständnishürde genommen habt, fällt euch ein JBL-Lautsprecher in die Hand, bei dem ihr euch zunächst fragen werdet, wo jetzt der offensichtlichste Unterschied zum Vorgänger JBL Flip 4 ist.
In Größe, Gewicht und Form hat sich nicht viel verändert, auch wenn der neue Flip einen Hauch schwerer und länger ist. Das wird sich im Alltag jedoch kaum bemerkbar machen. Der grundsätzliche Aufbau in Sachen Bedienknöpfe ist ebenfalls sehr ähnlich.
Es dürfe euch zuerst stutzig machen, dass die Ladebuchse hier offen in der Gegend rumlümmelt, obwohl auch der Flip 5 mit einer hohen Schutzklasse gegen Wasser ausgestattet ist (IPX7). Normalerweise verschwinden Lade- und Klinkenbuchsen in so einem Fall stets unter einer Schutzklappe.
Momentchen mal … wo zum Henker ist die Klinkenbuchse hin? Und warum passt mein universelles Micro-USB-Ladekabel nicht an die Box?
Tja. Die iPhone-Besitzer unter euch haben sich an das Verlustgefühl bei der Abschaffung der Klinkenbuchse bereits gewöhnt. Alle JBL-Fans müssen ab jetzt auch da durch. Und den USB-Standard Typ C gibt’s noch obendrauf.
Vielleicht sagt jetzt jeder unter 30 „Ja, und?!“. Neue Formate als altbekannter Kniff, um mehr Zeug zu verkaufen, sind ja wohl keine Erfindung der Neuzeit. Und wer einer Klinkenbuchse nachheult, nimmt auch noch Songs aus dem Radio auf Kassette auf.
Dass Bluetooth-Lautsprecher wirklich am liebsten per Nahfunk genutzt werden, ist in der Spotify-Generation normal. Darum scheint die Wegrationalisierung auch nur folgerichtig und ein Zeichen des Fortschritts.
Bei mir zu Hause hängt die Libratone TOO seit ihrem Einzug konstant per Kabel am bluetoothfähigen Laptop. Das garantiert eine stabile Audioverbindung, ich muss nicht ständig irgendwelche Geräte pairen und der Akku hält länger. Ach ja, eine funkfreie Kabelverbindung liefert auch noch besseren Sound.
Beim näheren Blick aufs Datenblatt warten noch weitere Überraschungen. Denn der Flip 5 besitzt kein Mikrofon mehr, ist also auch nicht mehr als Freisprecheinrichtung gedacht. Nun habe ich dieses Feature nie benutzt, weshalb ich dazu auch keine Meinung habe.
Um die Verwirrung (und vielleicht den Aufschrei) perfekt zu machen, hat sich JBL mit dem PartyBoost-Standard auch gleich noch eine neue Technik ausgedacht, wie ihr mehrere JBL-Lautsprecher in Reihe schalten könnt. Surprise, Surprise: Dieser Standard ist nicht abwärtskompatibel.
Riecht hier noch irgendwer Abzocke? Zwar könnt ihr jetzt unendlich viele JBL-Boxen zusammenknüppern, doch die müsst ihr alle neu kaufen.
Abgesehen von diesen offensichtlichen roten Tüchern ist auch dieses Modell wieder ausnehmend hochwertig gefertigt und liefert in den flankierenden Spezifikationen den üblichen JBL-Standard:
- Bis zu 12 Stunden Akkulaufzeit mit nur 2,5 Stunden Ladedauer
- Schutzklasse IPX7
- Bluetooth-Reichweite rund 11 Meter
Das Verhältnis von Akkulaufzeit zu Ladedauer ist übrigens ein weiterer Beweis dafür, dass JBL für die On-the-go-Gesellschaft gedacht ist. Solche fixen Werte begrüße ich immer.
Preis und Leistung: Evolution mit Wachstumsschmerzen
Weil es klar ist, dass der Flip 5 ab jetzt den JBL Flip 4 ersetzt, ist das Vorgängermodell nur noch bei Drittanbietern erhältlich. Gleichzeitig ist der Preis für den Flip 5 abenteuerlich in Bewegung. Wir haben ihn für rund 100 Euro (Stand: Februar 2020) gekauft, doch schon ein paar Tage später war er bereits günstiger.
Wieder einmal bestehen riesige Preisunterschiede bei den Farben – was sich für mich immer wie Abzocke anfühlt, aber ein klassischer Move im Bereich Lautsprecher ist. Ist euch die Nuance wurscht, könnt ihr fast 20 Euro sparen!
Hätte ich mir diese Box nicht genau angehört, hätte ich den Lautsprecher trotz aller Hochwertigkeit direkt wieder eingepackt und mit einer niedrigen Wertung versehen. Vielleicht liegt es an meinem Alter, dass mir Dinge wie eine alternative Konnektivität und ein etablierter und vielseitiger USB-Standard wichtig sind. Vielleicht weiß ich als Tester aber auch ziemlich genau, wie zickig manche Technologie sein kann.
Grundsätzlich wirkt der Flip 5 dennoch wie der unweigerliche nächste Evolutionsschritt, den auch andere Boxen demnächst machen werden. Und ich weiß einfach, dass ihr von JBL die Leistung, die ihr bezahlt, auch erhaltet – gerade in Sachen Hochwertigkeit und Langlebigkeit.
Zwar bereitet mir die technische Entwicklung fast Schmerzen, doch es gibt eben auch noch ein Argument, das ohne Abstriche die Preis-Leistungs-Wertung nach oben schraubt. Und das ist der Sound.
Soundcheck: Oha, das wummst!
Wie ihr wisst, ist JBL bei mir seit dem Flip 3 Test und dem Charge 3 Test als Basskönner mit klarem Soundloch in der Klangmitte verschrien. Dieses Klangbild war bisher so typisch JBL, dass ich die Boxen im ÖPNV sofort an ihrem Krach erkannt habe.
Grundsätzlich ist dieses Klangbild unterwegs oder bei der (Freiluft-)Party völlig unproblematisch, weil ihr da eh dickere Sounds mit fetten Bässen und ordentlich Wumms bevorzugt. Isso. Zu Hause in der ruhigen Wohnung springen euch die Mängel jedoch umso deutlicher ins Gesicht.
Ich feiere den JBL 5 dafür, dass er mit dieser Tradition endlich bricht. Im Rahmen meines neuen Testdesigns habe ich die Box zunächst mit meinem Smartphone gepairt und meine Spotify-Playlist auf Shuffle gestellt.
Der Zufallsgenerator hat mich dieses Mal zum Lachen gebracht. Denn er stellte mir „How’s It Gonna End“ von Tom Waits zur Verfügung. Ich habe noch keinen Jogger-Casanova im Pickelalter in der U-Bahn mit Tom Waits angeben hören. Ein solches Stück passt einfach nicht zum JBL-Image, das sich im Straßenbild abbildet. Und deswegen macht es mir beim Test umso mehr Spaß.
Dieses Stück besteht zu 99 Prozent aus der Reibeisenstimme von Waits, der Rest gehört der typischen Instrumentierung von Storyteller-Stücken im Stil der Depression Era – ein bisschen rhythmisches Geklampfe im Hintergrund, ein paar Oooohs und fertig ist der Lack.
Ich glaube, am Bass haben die Sounddesigner nicht gedreht. Der ist so zwingend, präsent und kugelrund wie immer. Die Box ist vielmehr erstmals in der Lage, in der Klangmitte mehr zu veranstalten als Hohlspiegel-Eindrücke. Wo früher bei jedem Song in der Soundmitte ein Loch prangte, wurde dieses Loch endlich aufgefüllt.
Dabei orientiert sich JBL ein wenig in Richtung Bose. Der Flip 5 matscht die Füllung zwar weiterhin zusammen, aber auf eine Art, die funktioniert und im Ohr mehr Spaß macht als jedes Loch. Denn mit matschiger Mitte werden Durchschnittshörer mit Liebe zur partytauglichen Musik hervorragend abgeholt. Außerdem passt eine matschige Mitte zu sehr vielen Hörsituationen – ob nun zu Hause oder im Park.
Das geht zwar mehr als offensichtlich auf Kosten der Differenzierung. Außerdem könnte ich mir über den JBL Flip 5 keine ganze Waits-Platte anhören. Da ist mir einfach zu viel aufregende und drückende Vordergründigkeit am Start, es fehlt eindeutig an den Feinheiten. Solche Platten überlasse ich lieber meinem Libratone TOO oder dem Dockin D Fine.
Doch da ich schon immer wusste, dass ich mit JBL nicht gemeint bin, habe ich mit diesem Befund überhaupt kein Problem. Ich lobe vielmehr, dass sich die neue Flip-Version endlich so breit macht, wie es die hochwertigen Sound-Komponenten stets nur versprochen haben.
Weil ich mich gefragt habe, wie es denn nun bei echtem Partysound aussieht, habe ich entgegen meiner Gewohnheit noch mit Absicht einen Wumms-Track abgespielt. Weil ich keine Ahnung habe, was die Kids heutzutage hören, habe ich das neueste Eminem-Album rausgesucht und den Track „Godzilla“ ausgewählt.
Ihr merkt echt, dass solche Tracks exakt auf den Klang à la JBL abgestimmt sind – oder vielmehr andersherum. Die einzelnen Klangereignisse werden halbwegs sauber abgebildet, die Spuren sogar recht deutlich voneinander getrennt. Das wirkt zwar künstlich, aber das soll es ja auch.
Noch eine kleine Nebenbeobachtung: Wenn ihr die Box angeschlossen, aber keine Musik laufen habt, müsst ihr öfter mit Dopplern leben, wenn euer Nachrichtenton oder der E-Mail-Posteingang klingelt.
Für unterwegs und zu Hause: Überall und nirgends?
Auch wenn wir die Kabelfrage nicht noch einmal aufrollen müssen, schließt sie die JBL Flip 5 für mich für den Heimbetrieb aus. Zwar haben wir zu Hause auch Boxen, die wir per Bluetooth an unsere Smartphones und Tablets hängen. Doch wenn es darauf ankommt, kramen mein Ehefreund und ich immer die Kabel raus – er für Aufnahme- und Abhörgeschichten, ich für meine Arbeit am Rechner.
Es ist schlicht einfacher, auch wenn das nicht bedeutet, dass ihr den JBL Bluetooth-Lautsprecher nicht überall einsetzen könnt. Er ist wasserfest, robust, kompakt und mobil genug. Und darauf kommt es in dieser Kategorie nun einmal an.
Fazit zum JBL Flip 5: Der Berufsjugendliche
Wenn ich mir den JBL Flip 5 Bluetooth-Lautsprecher angucke, fühle ich mich wie bei Gesprächen über TikTok. Oder, um es mit Lethal Weapon zu sagen: I’m getting too old for this sh…
119,99 Euro
VORTEILE
- Hochwertige Verarbeitung
- Hohe Outdoor-Funktionalität
- Lange Akkuleistung
- Monsterklang
NACHTEILE
- Keine Klinkenbuchse
- Neuer Koppelstandard für Mehrfach-Lautsprecher
- Kein Mikro
Dieser Bluetooth-Lautsprecher ist ein Berufsjugendlicher, wie er im Buche steht. Er bietet einen ausnehmend partytauglichen Klang und hat endlich große Fortschritte in Sachen mächtiger Sound gemacht. Dieser Sound ist weder Hi-Fi noch herausragend, aber um Meilen besser als jeder vorherige JBL-Lautsprecher.
Ich persönlich finde den Minimalismus bei der Ausstattung schrecklich und sehe darin auch einen Grund, dieses Modell nicht weiterzuverwenden. Das heißt aber nicht, dass ich es nicht weiterempfehle.
Im Gegenteil. Meine etwas antiquierten Ansichten zu Technik müsst ihr euch nicht zu eigen machen. Wenn wir kurz mal vergessen, was fehlt, und uns darauf konzentrieren, was da ist, gibt es keine Abstriche in Sachen hochwertiger Qualität und Verarbeitung.
Ich war selten so gespannt auf eure Kommentare: Funktion oder Sound – was ist euch bei einer Bluetooth-Box wichtiger? Hinterlasst mir gern eure Meinung!
Kommentare
Eric 17. Juni 2020 um 20:40
Dass eine Kabelverbindung besseren Klang liefert, muss in dieser Kategorie und Konfiguration nicht unbedingt stimmen. Mant hat so zwei zusätzliche Wandlungen, DA im Abspielgerät und AD im Lautsprecher, jede zusätzliche Wandlung kann den Klang verschlechtern.
Ihre musikalische Vorliebe habe ich noch nicht ganz verstanden, einerseits werden gewisse Geräte für ihren Bass gelobt, andere für schwache Mitten getadelt.
Wirklichen Bass schafft keiner dieser kleinen Lautsprecher, aber per DSP können sie den Oberbass (im Vergleich zu den Mitten) aufblähen, dass es ziemlich Eindruck macht. Aber dadurch werden eben die Mitten übertönt.
Es gibt auch Kleinlautsprecher, die schön linear klingen (z.B. Kef Muo), da fehlen aber die Bässe. Beides kann man in dieser Grösse nicht haben.
Darum sind diese Kleinteile auch nie ein Ersatz für „richtige Lautsprecher“, aber eine gute Ergänzung für den Balkon, das Hotelzimmer oder im Schwimmbad.
Andi Mayr 16. März 2021 um 16:07
Ehefreund, hab ich noch nie gehört, finde ich aber super. ;-)
Genauso wie den Testbericht, ich habe schon lange keinen so erfrischend geschriebenen Test mehr gelesen. Und ich teile die geäußerten Bedenken voll und ganz und finde es wirklich schwierig abzuwägen, was mir wichtiger ist. Einerseits natürlich der Sound, andererseits hat mich aber das Argument, die Box auch per Kabel mit Bluetooth-losen Geräten verbinden zu können, überzeugt. Das kann das Ding dann halt nicht. Aber deshalb dann doch nicht kaufen? Schwer zu sagen, bin hin und her gerissen…
Tendiere aber eher dagegen.
Danke auf jeden Fall für den tollen Testbericht!!